Online-Journalismus: Warum wir nicht so heiß auf Klicks sein sollten

Natürlich freue ich mich, wenn ich auf diesem Blogartikel Klicks generiere. Aber am Ende sagt mir der Klick gar nichts. Außer, dass sich vielleicht jemand auf den Artikel verirrt hat. Vielleicht interessiert Sie die Überschrift. Vielleicht war es auch nur ein Versehen. 

Ich selber bin seit meiner Ausbildung im Online-Bereich unterwegs. Immer reden wir nur über Klicks. Im Hintergrund laufen Mess-Instrumente, die die Zahlen  laufend generieren und über die in Konferenzen gesprochen wird. Von anderen Journalisten hört man auch so was, wie dass ihre Arbeiten danach bemessen werden. Themen, die gut „geklickt“ werden, sind wichtig, werden noch mal weiter gedreht, um an den Erfolg anzuknüpfen.

Weil der Klick so wertvoll ist, werden Überschriften und Teaser zur Hauptaufgabe. Sie sollten so formuliert sein, dass sie den Leser zum Öffnen des Artikels verleiten. News-Portale wie Focus Online oder Bild.de machen es schon seit Jahren und generieren damit steigende Reichweiten. Ein Beispiel mit Blick auf die Nachrichtenseite von focus: „Urlauberin berichtet über dramatische Bakterien-Infektion im Ägypten-Hotel“ Also: Die Überschrift teilt dem Leser gerade genügend Informationen mit, um ihn neugierig zu machen, aber nicht ausreichend, um diese Neugier auch zu befriedigen. Hier wird der Leser vermutlich aus Angst drauf klicken „Könnte es mich bei meinem nächsten Urlaub auch treffen?“ Damit wäre der Klick generiert.

Mehr Reichweite, mehr Klicks, mehr Werbeeinnahmen

Was mir oft fehlt, ist das, was danach kommt. Nach dem Klick. In der Meldung gab es eine Infektion, aber die Ursache ist nicht bekannt. Ist es dann einer Meldung wert? Überwiegt das öffentliche Interesse, oder muss man vielleicht solche Fälle mal einordnen? Wie oft kommen solche Infektionen vor und wie können sie entstehen? Hier wurde ein Klick über Ängste erreicht, aber die Angst nicht genommen. Doch darum scheint es auch gar nicht zu gehen. Hier haben wir den typischen Fall: vermeintliche Nachricht plus klickfängerischer Headline.

Dass Medien Klicks generieren wollen, ist schon aus wirtschaftlicher Sicht irgendwie verständlich. Schließlich leben Online-Plattformen meist von Werbeeinnahmen. Was früher für die Werbetreibenden die Zahl der verkauften Zeitungen war, sind heute die Klicks. Je mehr, desto besser. Ja, auch hier spielt Geld eine Rolle. Aber da, wo Journalismus drauf steht, sollte er auch drin sein. Und das sind nicht nur Meldungen, die mit eigenen Überschriften aufgepeppt werden. Deshalb sollte vielleicht mal über neue Mess-Standards nachgedacht werden.

Eine Sache der Glaubwürdigkeit

Klicke ich persönlich auf eine Überschrift, die mehr verspricht, als der Inhalt und Bericht hergibt, bin ich enttäuscht und verlasse die Seite wieder.  Und so wird es bestimmt nicht nur mir gehen. Ich glaube, dass reines Klick-Denken langfristig an Glaubwürdigkeit einbüßen wird. Sollte es nicht genauso wichtig sein, zu schauen, wie lange bleibt der Leser auf dem Artikel und wie bewertet er ihn? Fühlt er sich gut informiert? Habe ich die richtige Darstellungsform für die Geschichte gefunden? Ist der Text nach journalistischen Standards und klar verständlich formuliert? Ist ein meinungsstarkes Interview hier angebracht, oder eher ein mehrschichtiger Bericht?

Dazu ist es wichtig, guten Inhalt zu schaffen und damit Zeit zu verbringen, zu überlegen, ist das Thema relevant, wie befasse ich mich damit, um es meinem Gegenüber möglichst schmackhaft zu präsentieren. Und das in vollem Umfang und nicht nur auf den ersten Blick. Auch hier gilt die schon abgenutzte, aber immer noch wichtige Devise: Qualität vor Quantität. Denn eine gute Überschrift zu erstellen, lernt sich schnell, aber für guten Inhalt dahinter, braucht es gute Journalisten. Langfristig, denke ich, wird sich das auszahlen.

Leser sind nicht nur Klicks – sie sind mehr

Auch Leser mit einzubinden, finde ich wichtig. Sie sind nicht nur ein Klick. Sie sind viel mehr als das. Der Nutzer empfindet und denkt beim Lesen. Das kann von Bedeutung sein. Liest er weiter? Um das zu prüfen lassen sich zum Beispiel „Weiterlesen“-Buttons integrieren, Fragen schon in den Artikel mit „Ja“ oder „Nein“ einbauen. So fühlt sich der Leser ernst genommen.

Daher ist entscheidend, was wir wollen. Wollen wir ernst genommen werden, wollen wir journalistisch sauber arbeiten, oder wollen wir nur unsere Klicks feiern? Wenn letzteres nicht die Hauptmotivation ist, dann gibt es eine Chance für guten Content und Menschen, die dafür gerne arbeiten.

Warum auch immer Sie bis hier unten gelesen haben, schreiben Sie mir gerne Ihre Meinung. Diese ist mir wichtig.

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